Sterben verboten!

In Italien hat ein Gemeinderat einen originellen Beschluss gefasst: Sterben ist von nun an in dem Dorf in der Nähe von Neapel verboten. Dieser Gesetzesentwurf ist als Protest gedacht, um darauf aufmerksam zu machen, dass der örtliche Friedhof überfüllt ist und deshalb kein Platz für weitere Beerdigungen ist.

Wer ein Sterbeverbot aber einfach nur als Kuriosität und lustige Protestform versteht, der übersieht, wieviel es über die Verbotskultur aussagt:

Denn der Gemeinderat hat lediglich so gehandelt, wie es in der Politik üblich ist. Das Problem, um das es hier geht, ist der überfüllte Friedhof, also die „Unterbringung“ neuer Verstorbener. Anstatt dieses Problem direkt anzupacken, wird die Situation mit einer simplen Logik betrachtet: Ohne neue Leichen kein Platzproblem, ohne Tod keine Leichen, also muss der Tod in Zukunft eben einen Bogen um das Örtchen machen.

Klar, der Gemeinderat meint dieses Gesetz nicht bierernst, aber viele andere Gesetze, Verbote oder politische Initiativen verwenden exakt die gleiche Logik und sind völlig ernst gemeint:

– Wenn in Parks im Sommer zuviel Müll liegenbleibt, dann wird nicht das eigentliche Vermüllen strenger geahndet, sondern man verbietet das Grillen gleich ganz.

– Wenn in U-Bahnen Belästigungen und Körperverletzungen durch betrunkene Täter geschehen, dann werden nicht diese Taten verhindert und strenger geahndet, sondern man erlässt ein (natürlich nutzloses) Alkoholverbot.

– Wenn junge Menschen verzweifeln und/oder durchdrehen und ihre Mitschüler mit in den Tod reissen, dann beschäftigt man sich nicht mit den Gründen, warum sie zu Mördern werden, sondern redet über Verbote von Computerspielen, Musik, Filmen oder Waffen.

Alle diese Beispiele haben mit dem „Sterbeverbot“ die Logik gemeinsam, nämlich dass es ohne Grillen keine Wurstverpackung gibt, dass man ohne Alkohol nicht betrunken sein kann und dass man ohne Schusswaffe nicht schiessen kann. Ohne Tod gibt es schliesslich auch keine Leichen. Die Symbolwirkung solcher „Problemlösungen“ ist groß, sie kommen bei den meisten Wählern gut an.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist allerdings die Unwirksamkeit dieser Verbote und dass sie meist die Falschen treffen. Verantwortungslose Parkbesucher werden weiterhin Scherben hinterlassen, U-Bahn-Schläger steigen besoffen ein (oder prügeln nüchtern auf Fahrgäste ein) und ein schärferes Waffengesetz betrifft nicht die 20 Millionen Pistolen und Gewehre, die sich in Deutschland unter Betten, in Kleiderschränken oder auf dem Schwarzmarkt tummeln.

Das Sterben zu verbieten ist also gar nicht so kurios. Dieses Verbot ist nach dem gleichen Muster gestrickt wie viele der (leider) ernst gemeinten Gesetze, die Politiker dem Volk als Problemlösung verkaufen wollen.

8 Kommentare

Eingeordnet unter Alkohol, Killerspiele, Realsatire, Verbote, waffen

8 Antworten zu “Sterben verboten!

  1. Niko Kaiser

    Ihr Problem ist es, ebenfalls nur zu meckern. FangenSie an mit einer Kamera, beobachten Sie die „Täter“ und zeigen Sie sie an. Stehen Sie
    zu Ihfrer Meinung, gehen Sie beispielhaft vorweg. Nur Mut! Ihr Polizeirevier wird es Ihnen danken.
    ruß aus Bremen

    Geelbeen

    • AllesVerboten.org

      Was wissen Sie denn, was ich tue? 🙂
      Im Prinzip ist ja Ihr Ansatz richtig. Wer für Eigenverantwortung ist, sollte auch Verantwortung übernehmen.
      Ich fahre täglich fast 90 Minuten mit Hamburger Bussen und Bahnen und würde im Notfall sogar selber eingreifen. Es passiert aber nichts. Ich wurde noch nie Zeuge einer Straftat auf dem Bahnsteig oder im Waggon. Die Handvoll öffentlichkeitswirksamer Taten, mit denen das Alkoholverbot begründet wird, verteilen sich eben auf über 600 Millionen Fahrgäste pro Jahr. 99% der Fahrgäste kennen den angeblichen Handlungsbedarf eben nur aus den Boulevardzeitungen.

    • Gast

      Ja ja. Ich pendel jeden Tag 150km in die Arbeit. Mit meiner Frau zusammen war ich unterwegs auf einer deutschen Autobahn. Ein besonders wichtiger Michael Schuhmacherverschnitt war der Meinung der müsse mit 180+ rechts überholen, reindrängen, wegschieben. Kann ja auch nicht sein, dass um kurz vor 7:00 auch noch andere leute „seine“ Autobahn zustopfen.
      Also rief meine Frau bei der Polizei an und meldete den Fahrer mit Fahrzeugbeschreibung und Nummernschild. Sie glauben ja gar nicht was man sich von der Polizei so anhören muss. Ob wir den Fahrer identifizieren könnten, ob wir wissen wo er hinfährt, warum wir überhaupt anrufen, es hat ja noch nicht gekracht und überhaupt ist er erst seit 5 Minuten im Büro (noch keinen Kaffee?). Sein Vorschlag: ich soll meinen Chef anrufen dass ich später komme, zu ihm auf die Wache fahren und dann eine Anzeige erstatten. Und die wirft er dann in den Papierkorb.

      Meine Lehre daraus: Lasst die Polizei ihren Job machen. Egal was das auch immer sein soll.

      • partnachplatz

        Hallo Gast,
        wenn der Dich locker mit 180+ rechts überholen und dann noch einscheren kann, dann hätte ich als Polizist Dich wegen Behinderung (Missachtung des Rechtsfahrgebots) verknackt. Besser, dass Du die Zeit nicht hattest auf der Wache vorbeizufahren :-).

  2. Ich dachte bisher, dass nur die Amis verrückte Gesetze verabschieben. Doch mit diesem Sterbeverbotsgesetz wurde mal wieder bewiesen „Die spinnen, die Römer!“ 🙂
    Mein Lieblingsgesetz gibt es übrigens im Bundesstaat Alaska: Hier darf man unter keinen Umständen einen Elch betrunken machen, ihn aus einem Flugzeug schubsen oder aus einem Flugzeug betrachten! Ganz wichtig!

    MfG

    Lars

    • AllesVerboten.org

      Hallo Lars, bei solchen US-Gesetzen handelt es sich um „Case Law“, da werden Einzelurteile in skurrilen Fällen zu Präzedenzfällen und gelten als Gesetz. Aber natürlich machen sich solche „Elch-Abfüll-Verbote“ immer wieder gut auf den bunten Seiten der Zeitung. Ich plane schon länger einen Artikel über skurrile deutsche Verbote. Davon gibt es jede Menge, und die stammen dann nicht von hinterwäldlerischen Dorfrichtern sondern von unserer politischen Elite.

  3. Der Fall aus Italien ist wirklich skurril und in Deutschland wohl nicht vorstellbar, auch wenn es nur als Protestform zu verstehen ist. Es würde mich ja mal interessieren, welche Strafe denn im Gesetzesentwurf auf verbotenes Sterben vorgeschlagen wurde. Trotz aller Skurrilität kann man schon einen Bezug zur Reglementierungswut in Deutschland sehen. Verbote sind nun einmal der einfachere Weg, sich positive Veränderungen zu erhoffen und stattdessen weniger kontrollieren zu müssen. Allerdings muss man bezüglich des Alkoholverbots sagen, dass es zum Beispiel im Metronom tatsächlich seit Einführung des Alkoholverbots zu weniger Straftaten und weniger Müll in den Zügen gekommen ist.

    • AllesVerboten.org

      Hi Mara,
      im Metronom wurde nicht nur ein Alkoholverbot erlassen, es wurde auch massiv Sicherheitspersonal eingesetzt. Und das hat dann zur Entspannung der Lage beigetragen. Die Deutsche Bahn hat da bei ihrem Konkurrenten ziemlich genau hingeschaut und ist auch zu einem Ergebnis gekommen:

      Licht am Ende des Tunnels: Bahn entscheidet sich gegen Symbolismus

      Verbote sind nun einmal der einfachere Weg, sich positive Veränderungen zu erhoffen und stattdessen weniger kontrollieren zu müssen.

      Ja, anstatt bereits bestehende Verbote durchzusetzen (Vandalismus und Körperverletzung SIND bereits verboten) geht man den bequemeren Weg und verbietet Dinge, die angeblich zu den Straftaten führen. Als ob sich Schläger und Randalierer für Verbote interessieren würden. In Hamburger U-Bahnen gibt es keine Senkung der Gewalt. manche Täter sind nüchtern, andere sind betrunken. Das Alkoholverbot ist schlicht nicht relevant.

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