Strafsteuer auf Fahrräder, Fußbälle und Inlineskates?

Um unerwünschte Aktivitäten zu unterbinden, greift man in der Politik ja längst nicht nur zum schnöden Verbotsschild. Eine weitere beliebte Maßnahme ist die Erhebung von Strafsteuern, so kostet z.B. ein sogenannter „Kampfhund“ in Hamburg ganze 600€ statt 90€ Hundesteuer pro Jahr (nicht, dass das etwas geholfen hätte, ausser dass diese Tiere in manchen Kreisen jetzt noch mehr als Statussymbol gelten dürften, während so manche Familie ihre „Bestie“ aus finanziellen Gründen abgeben musste). In Stuttgart ist eine Steuer auf Sport- und Jagdwaffen geplant, von bis zu 100€ pro Waffe und Jahr ist da die Rede (was den Wert der meisten Waffen wohl schon nach 1-3 Jahren übersteigen dürfte).
Wer nun mit den Schultern zuckt, weil er nicht zu den schon routinemäßig von der Politik geplagten Hunde- oder Waffenbesitzern gehört, dem darf ich meinen Lieblingssatz „Irgendwann erwischt es jeden“ entgegenhalten. Denn im Rahmen einer typischen Sommerlochdiskussion nach dem Motto „Dicke sollen mehr Kassenbeiträge zahlen“ findet sich folgende Aussage des Bundestagsmitglieds Marco Wanderwitz (CDU):
Ungesund lebende Menschen kann man nicht über Beiträge disziplinieren, denn zur Kontrolle bräuchte man eine Gesundheitspolizei. Man sollte aber, wie bei Tabakwaren, den Kauf gesundheitsschädlicher Konsumgüter höher besteuern und teilweise ins Gesundheitssystem führen. Das betrifft Alkohol, Schokolade oder Risikosportgeräte wie Drachenflieger.
Mal ganz abgesehen von der angeblich notwendigen „Disziplinierung“ von eigentlich freien Menschen:
Erstens ist eine solche zusätzliche Abgabe beim Kauf bestimmter Geräte leider kein reines Luftschloss, denn bereits jetzt bezahlen wir z.B. beim Erwerb eines Laserdruckers eine Abgabe in Höhe von 12,50€ auf potentielle Urheberrechtsverletzungen, die wir mit diesem Gerät vielleicht gar nicht begehen wollen und werden.
Natürlich erwähnt man in solchen „Überlegungen“ erstmal etwas exotisches wie „Drachenflieger“, denn dem Laien erscheint das Fliegen mit Hängegleitern (wie es richtig heisst) als offensichtlich gefährlicher Sport. Wen interessieren da schon Statistiken mit gerade mal zweistelligen Unfallzahlen pro Jahr?
Ausserdem wäre von einer Hängegleitersteuer nur ein verschwindend geringer Teil der Deutschen betroffen, ein medialer Aufschrei somit weitaus unwahrscheinlicher als wenn z.B. jemand eine „Fahrradsteuer“ fordern würde.
Letztlich müsste so eine Steuer aber vor allem auf Fahrräder, motorisierte Zweiräder, Skiausrüstungen, Fuß- Hand- und Basketbälle, Joggingschuhe, Pferde und Inlineskates erhoben werden.
Man kann davon ausgehen, dass Herr Wanderwitz (CDU) nicht zufällig über eine Steuer für eine Handvoll Hängegleiterpiloten grübelt, ohne dabei die lukrative Besteuerung von Breitensportarten im Hinterkopf zu haben (die Frage ist nur, was seine Vereinskollegen vom Motorsportclub Sachsenring davon halten?).
Bitte einfach mal die folgenden Statistiken betrachten und überlegen, wie hoch die Steuern sein müssten und was da für einen persönlich so zusammenkäme.

Anmerkung: Fahrräder und Motorräder sind in den Statistiken vermutlich deshalb relativ wenig auffällig, da sich die meisten Zweiradunfälle im Straßenverkehr ereignen und nicht beim Sport. Die Statistiken der Uni Bochum scheinen sich vor allem auf Vereinssport zu beziehen, da z.B. Inlineskaten und Skifahren fehlen.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2004 / Grafik von www.gipsverband.de

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2004 / Grafik von www.gipsverband.de

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Sportmedizin (PDF)

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Sportmedizin (PDF)

Thema gefunden auf blog.jan-filter.de

Ergänzung: Bei RTL Punkt 12 sorgt man nun für ein wenig Empörung, indem man von einer „Schokoladensteuer“ spricht. Da hätte sich der Herr Wanderwitz wohl besser ausschliesslich auf die „Drachenflieger“ konzentriert.

Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “Strafsteuer auf Fahrräder, Fußbälle und Inlineskates?

  1. Ein schöner Beitrag, der den Blick etwas erweitert auf grundsätzliche Mechanismen: a) man braucht Geld b) man sucht sich eine unpopuläre und (vermeintlich) nicht wahlentscheidende Zielgruppe c) man bedient sich des Populismus. Mit dieser Mischung kann man gewünschten Einnahmen mit der (scheinbaren) Kontrolle unerwünschten (?) Verhaltens verknüpfen. Natürlich ist die Waffensteuer ein gutes Beispiel (wissenschaftliche Fakten dagegen: http://jagdwaffennetzwerk.blogspot.com/2010/05/wissenschaftliche-fakten-zum.html) aber in der Tat bietet auch die Gesundheitspolitik ein weites Betätigungsfeld. Aus meiner Zeit in der Gesundheitspolitik erinnere ich mich an eine Modellrechnung, die wir gemacht haben. Das Ergebnis: höhere Versicherungsbeiträge wegen „gefährlicher“ Sportarten zeigen unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunken keinen Effekt. Das größte Risiko für die Finanzierbarkeit der Gesundheitskosten ist nämlich das genaue Gegenteil: Langlebigkeit!

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